Geschichte des Instituts
Zur Geschichte der Romanistik in Erlangen
1 Anfänge der Romanistik und Aufbau des Romanischen Seminars
Seit der Gründung der Universität im Jahre 1743 genoss in der Hugenottenstadt Erlangen das Französische eine besondere Stellung unter den Fremdsprachen, welche noch zusätzlich durch die überaus frankophile Wilhelmine von Bayreuth, Gattin des Universitätsgründers Markgraf Friedrich III., gefördert wurde. Bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts waren die französischen „Sprachmeister“ Hugenotten (Jean Jacques Meynier, Johann Ludwig Diet, Johann Heinrich Meynier) und Revolutionsflüchtlinge (René Pierre Doignon). An zweiter Stelle rangierte das Italienische, während das Spanische lange Zeit eher ein „Anhängsellektorat“ der italienischen und später der deutschen Lektoren war. Noch vor der Anerkennung der Neuphilologien als wissenschaftliche Disziplinen war Christian Martin Winterling der erste „Professor-Lektor“ für „occidentalische Sprachen“ (Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch).
Erst 1875 wurde ein Ordinariat für neuere Sprachen eingerichtet, das sowohl für die romanischen Sprachen als auch für das Englische verantwortlich war. Nach Alfons Kissinger und Karl Vollmoeller war der erste „Doppelprofessor“, der längere Zeit in Erlangen wirkte, Hermann Varnhagen. Er wurde 1881 berufen und blieb siebzehn Jahre. 1898 kam es schließlich zur Aufteilung der Neuphilologie in zwei Fächer, in die Englische und die Romanische Philologie. Der erste ‚reine‘ Romanist, Heinrich Schneegans, trat seine Lehrtätigkeit im selben Jahr an, wechselte aber schon 1900 nach Würzburg und 1909 weiter nach Bonn.
Den Aufbau des Romanischen Seminars (sowie der dazugehörigen Bibliothek) verdankt die Erlanger Romanistik hingegen Julius Pirson (Lehrstuhlinhaber 1901-1937). Er war der Letzte, der sowohl als Sprach- wie auch als Literaturwissenschaftler tätig war. In seine Zeit fällt auch die endgültige Anerkennung des Fachs Romanistik durch die Einrichtung einer ordentlichen Professur. 1950 wurde er zum Ehrensenator der Universität Erlangen ernannt.
Pirsons Nachfolger Heinrich Kuen (Lehrstuhlinhaber 1937-1967) war der erste Erlanger Romanist, der sich auf die Sprachwissenschaft spezialisierte (siehe unten). Kuens Suche nach einem Kollegen für die Literaturwissenschaft führte zur Besetzung einer neuen Professur durch Adalbert Hämel (1949), welche die Arbeitsteilung der beiden philologischen Teildisziplinen in Erlangen verankerte. Nach dem Tod Hämels übernahm 1953 Albert Junker die zum Lehrstuhl angehobene literaturwissenschaftliche Professur.
Bis 1957 hatte das Romanische Seminar seinen Sitz im Erlanger Schloss (siehe Foto), danach bis 1968 provisorisch in der Kochstraße. Seit nunmehr mehr als vierzig Jahren ist es im C-Turm der Bismarckstraße 1 beheimatet.
2 Romanistische Sprachwissenschaft
Der Tiroler Heinrich Anton Ignaz Kuen (1899-1989) studierte Romanistik und Germanistik an den Universitäten Innsbruck und Berlin. In Barcelona arbeitete er am Institut d’Estudis Catalans. Obgleich „überzeugte[r] Katholik“, wurde Kuen „aus einer alphabetisch geordneten Dreierliste 1937 nach Erlangen berufen, ein Vorgang, der für alle Beteiligten rätselhaft blieb“ (Hausmann 2000: 21-22). Kuen war ab 1937 als Professor der romanischen Sprachwissenschaft an der Universität Erlangen tätig – blieb trotz mehrerer auswärtiger Rufe Erlangen treu und prägte so eine ganze Ära. Auch als Emeritus war er noch bis 1981 in der Lehre am Institut engagiert. Er wirkte durch seine ehrenamtlichen Tätigkeiten als Dekan und Mitglied des Bayerischen Senats entscheidend am Wiederaufbau nach 1945 mit. Von 1953 bis 1954 war er Rektor der Universität Erlangen. Besonders interessiert war Kuen an sprachwissenschaftlichen Phänomenen, wie sie in Randzonen der Sprach- oder Dialektgebiete der Romania auftreten, und begründete auch die systematische Sammlung romanistischer Sprachatlanten in der Bibliothek des Instituts. Wegen seiner Verdienste um das Rätoromanische wurde ihm 1985 das Ehrendoktorat der Universität Innsbruck verliehen.
Arnulf Stefenelli (1938-2002) war ein österreichischer Romanist und Sprachwissenschaftler, der in Wien bei Ernst Gamillscheg promoviert wurde und sich dort auch habilitierte. Von 1968 bis 1982 wirkte er als Nachfolger von Heinrich Kuen als Professor in Erlangen, bevor er an die Universität Passau wechselte. Mit seiner 1962 publizierten Dissertation zur Sprache Petrons und seiner 1967 im Druck erschienenen Habilitationsschrift zur Synonymie im Altfranzösischen legte er die Grundlage für weitere wichtige Publikationen insbesondere auf dem Gebiet der historischen romanischen Lexikologie.
Peter Blumenthal (*1945) wurde in Bonn promoviert und habilitierte sich in Köln. Von 1983 bis 1988 war er Professor der romanischen Sprachwissenschaft in Erlangen. 1988 wechselte er an die Universität Stuttgart und später zurück an die Universität zu Köln. Er war viele Jahre verantwortlich für die sprachwissenschaftlichen Beiträge der Zeitschrift für französische Sprache und Literatur und Mitherausgeber der Reihe Linguistische Arbeiten im Max Niemeyer Verlag Tübingen (jetzt Mouton de Gruyter Berlin). Für aktuelle Angaben über Publikationen und Forschungsschwerpunkte sei auf die Homepage an der Universität zu Köln verwiesen.
Jürgen Lang (*1943) studierte an der Universität Tübingen, an der er auch promoviert wurde, und an der Pariser Sorbonne Geschichte und Romanistik, in Tübingen unter anderem bei Eugenio Coseriu. Von 1971 bis 1974 war er als Lektor des DAAD an der Universität Salamanca tätig, des Weiteren war er wissenschaftlicher Assistent am Lehrstuhl für Didaktik des Französischen der Universität Augsburg und Hochschulassistent am Institut für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin, an der er sich habilitierte. Von 1989 bis 2009 lehrte er als Inhaber des Lehrstuhls für Romanische Philologie I (Sprachwissenschaft) in Erlangen. Auch nach seiner Pensionierung widmet er sich weiter seinen Forschungen zur iberoromanischen Sprachgeschichte, zur Grammatiktheorie, zur linguistischen Pragmatik sowie vor allem zur Kreolistik. Insbesondere ist er Spezialist für die portugiesisch-basierte Kreolsprache der Kapverdischen Inseln. Weitere Informationen und ein Verzeichnis der Publikationen finden sich auf seiner Homepage.
August Dauses (1947-2008) wurde 1972 bei Heinrich Kuen promoviert, habilitierte sich 1977 und war von 1981 bis zu seinem Tode Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsinteressen galten vor allem der allgemeinen Sprachwissenschaft, dem Sprachvergleich und Terminologiefragen.
Franz-Josef Hausmann (*1943) war von 1981 bis 2008 Inhaber des Lehrstuhls für Angewandte Sprachwissenschaft am gleichnamigen Institut der Universität Erlangen-Nürnberg. Seine Forschungsinteressen galten vor allem dem Französischen und der Lexikographie. Die von Hausmann begründete Bibliothek, die insbesondere zahlreiche Wörterbücher und metalexikographische sowie lexikologische Publikationen umfasste, wurde zum Teil in die allgemeine UB integriert.
Zusätzlich gestärkt wurde die romanistische Sprachwissenschaft durch Akademische Oberräte und Direktoren wie Peter Röder (1968-2000), Jürgen Eschmann (1974-2009), Heinz Haberzettl (1974-2005) und Corina Petersilka (2000-2019).
3 Romanistische Literaturwissenschaft
Der Schweizer Gustav Siebenmann (*1923) verbrachte seine ersten vierzehn Lebensjahre in Lima. Nach Studienstationen unter anderem in Bern, Zürich, Paris und Perugia wurde er 1949 in Zürich promoviert und habilitierte sich dort 1965. Von 1966 bis 1976 war er Inhaber eines Lehrstuhls für Romanische Philologie mit Schwerpunkt Hispanistik in Erlangen. 1976 folgte er einem Ruf nach St. Gallen, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1989 den Lehrstuhl für spanische und portugiesische Sprache und Literatur innehatte. Siebenmanns Spezialgebiete lagen vor allem im Bereich der spanischen und lateinamerikanischen Literatur. Zahlreiche Forschungsreisen und mehrere Gastprofessuren führten ihn immer wieder nach Lateinamerika. Er war 1968 außerdem einer der Gründungsmitglieder des Deutschen Hispanistenverbandes. Sein Schriftenverzeichnis umfasst mehrere hundert Titel. Ein Verzeichnis der bis 2003 erschienenen Publikationen findet sich in der von Michael Rössner herausgegebenen Festschrift Suchbild Amerika. Essays über interkulturelle Wahrnehmung. Gustav Siebenmann zu seinem 80. Geburtstag.
Leo Pollmann (1930-2009) studierte zunächst Altphilologie in Münster und entschied sich dann für das Studium der Romanistik in Paris (Sorbonne) und Freiburg. Nach seiner Promotion in Freiburg arbeitete er einige Jahre im höheren Schuldienst und parallel an seiner Habilitation (1965). 1966 wurde er an die TU Berlin berufen und 1969 nach Erlangen. Hier lehrte und forschte er bis 1979, als er einen Ruf an die Universität Regensburg annahm, wo er bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1999 blieb. Leo Pollmann forschte vor allem im Bereich der neueren Literaturen Frankreichs und Lateinamerikas, aber auch über das Weibliche Schreiben und den Koran.
Titus Heydenreich (1936-2013) studierte in Freiburg, Berlin, Madrid und Paris und wurde 1965 an der Freien Universität Berlin promoviert. 1973 folgte seine Habilitation in Köln. 1974 wurde er zum Professor für Romanistik an der Universität Gießen ernannt, bevor er 1977 nach Erlangen wechselte, wo er, auswärtigen Rufen nicht folgend, bis zu seiner Emeritierung 2005 den Lehrstuhl für Romanische Philologie III (Literaturwissenschaft) innehatte. Von 1986 bis 1990 war er außerdem Dekan der Philosophischen Fakultät II. Titus Heydenreich wirkte aktiv in der Sektion Lateinamerika am Zentralinstitut für Regionalforschung der Universität Erlangen-Nürnberg mit und ist Gründer und Mitherausgeber der Zeitschrift Zibaldone: Zeitschrift für italienische Kultur der Gegenwart. Seine vielfältigen Forschungsinteressen gelten unter anderem den Literaturen in italienischer, spanischer und französischer Sprache vom 17. bis zum 20. Jahrhundert und insbesondere der literarischen Verarbeitung historischer Ereignisse. Ein Verzeichnis der Schriften Heydenreichs bis 1996 findet sich in der im gleichen Jahr von Thomas Bremer und Jochen Heymann herausgegebenen Festschrift Sehnsuchtsorte. Für weitere Informationen sei auf die persönliche Homepage verwiesen.
Volker Kapp (*1940) studierte Romanistik und Theologie in Freiburg im Breisgau und Paris und wurde 1970 mit einer Arbeit über Paul Claudel promoviert. 1980 folgte seine Habilitation über den Télémaque von Fénelon. Zwischen 1986 und 1992 lehrte er als Professor in Erlangen und von 1992 bis zu seiner Emeritierung 2005 in Kiel. Bekannt ist Volker Kapp nicht zuletzt auch für seine Veröffentlichungen zur französischen und italienischen Literatur sowie besonders als Herausgeber der Italienischen Literaturgeschichte im Metzler-Verlag und seine interdisziplinären Studien zwischen Literaturwissenschaft und Theologie.
Hinrich Hudde (1944-2023) studierte in Gießen Romanistik, Germanistik und Philosophie und wurde dort 1972 promoviert. 1977 folgte seine Habilitation ebenfalls in Gießen. 1979 begann er seine Lehrtätigkeit als Professor an der Freien Universität Berlin, doch schon zwei Jahre später nahm er den Ruf nach Erlangen an, wo er bis zu seiner Pensionierung 2009 den Lehrstuhl für Romanische Philologie II innehatte. Die Forschungsschwerpunkte von Hinrich Hudde liegen im Bereich der Lyrik und deren Übersetzung, aber auch bei literarischen Gattungen wie Aphorismen (zuletzt Arbeiten über Nicolás Gómez Dávila). Der anläßlich seines 65. Geburtstag von Michaela Weiß und Frauke Bayer herausgegebene Band Einfache Formen und kleine Literatur(en) spiegelt Hinrich Huddes besonderes Interesse an kurzen und kürzesten literarischen Formen wider. Für weitere Informationen sei auf die persönliche Homepage verwiesen.
Wolfgang Matzat (*1948) studierte Romanistik und Anglistik an den Universitäten Saarbrücken, Rennes und München, wurde 1979 in München promoviert und habilitierte sich 1984. Von 1989 bis 1993 lehrte Wolfgang Matzat als Professor für Romanische Philologie an der Universität Erlangen. 1993 nahm er einen Ruf auf einen Lehrstuhl an der Universität Bonn an, bevor er 2002 auf einen Lehrstuhl an die Universität Tübingen wechselte. Seine Forschungen sind vor allem den französischen und spanischen Literaturen gewidmet, insbesondere der Literatur der Klassik und des 18. und 19. Jahrhunderts sowie der lateinamerikanischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Für weitere Informationen sei auf die persönliche Homepage an der Universität Tübingen verwiesen.
Zur jüngsten Geschichte des Instituts und zur aktuellen Forschung der Sprachwissenschaft
Zur jüngsten Geschichte des Instituts und zur aktuellen Forschung der Literaturwissenschaft
Literatur
Hausmann, Frank-Rutger (2000): „Vom Strudel der Ereignisse verschlungen“. Deutsche Romanistik im „Dritten Reich“. Frankfurt am Main: Klostermann.
Hudde, Hinrich (1993): „Zur Geschichte der romanischen Philologie in Erlangen“. In: 250 Jahre Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Festschrift (Erlanger Forschungen, Sonderreihe 4), Henning Kössler (Hrsg.), 546-564.
Kalkhoff, Alexander M. (2010): Romanische Philologie im 19. und frühen 20. Jahrhundert. Institutionengeschichtliche Perspektiven. Tübingen: Gunter Narr.
Petersilka, Corina (2019): „Die Familie Meynier als Fallbeispiel hugenottischer Integration in Erlangen“, in: Schöntag, Roger/Massicot, Stephanie (Hrsg.) (2019): Diachrone Migrationslinguistik: Mehrsprachigkeit in historischen Sprachkontaktsituationen. Akten des XXXV. Romanistentages in Zürich (08.10.-12.10.2017). Berlin: Lang (= Sprache, Mehrsprachigkeit und sozialer Wandel, 34), 213-266.
Wendehorst, Alfred (1993): Geschichte der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg 1743-1993. München: C.H. Beck.